New Work: Privatleben und Job verschmelzen

„Ich arbeite von Zuhause aus“. Es ist noch gar nicht so lange her, da wurde man für diesen Satz milde belächelt. Was traditionelle Arbeitgeber lange für eine nette Spielerei der Digitalbranche hielten, geriet in der Corona-Krise zum unternehmensrettenden Faktor. Remote-Arbeit bewahrte Firmen vor dem Aus, warf aber als neuer Standard des täglichen Business völlig neue Fragen auf. Zum Beispiel die der Büroausstattung, des Arbeitsschutzes und der IT-Sicherheit.

Wenn Angestellte ihr eigenes Laptop nutzen, wird Cybersicherheit zum Thema – und es wird stärker diskutiert, wie sehr man den Mitarbeiter kontrollieren muss. Viel Zeit blieb den Firmen dafür nicht. Die Umstellung folgte quasi als Training-on-the-Job. Technologien wie Zoom, die sich leicht und intuitiv bedienen lassen, setzten sich in dieser Zeit gegen komplizierte B2B-Anwendungen durch, die vorher als Inhouse-Lösungen genutzt wurden. Der Instant-Messaging-Dienst Slack, entwickelt für die Team-Zusammenarbeit, zählte am 25. März 2020 rekordverdächtige 12,5 Millionen Nutzer, die gleichzeitig aktiv waren[i].

Kreativ trotz Distanz

Die Kreativbranche zeigte als eine der ersten, wie die digitale Zusammenarbeit aus dem Homeoffice aussehen kann: Über Zoom entstand eine Vielzahl neuer, interaktiver Formate und Co-Kreationen. Die US-Band Thao & The Getdown Staydown veröffentlichten ein komplett remote produziertes Video. ZDFneo zeigte die digital produzierte Comedy-Serie „Drinnen“, für die kein Beteiligter die Wohnung verlassen musste. Rapper Travis Scott gab gleich ein ganzes Konzert in der Spielwelt von Fortnite – fast 28 Millionen einzelne Menschen sahen sich das Event zusammen 45,8 Millionen Mal an. Die Zuschauer konnten sogar als Visuals selbst Teil des Konzerts werden[ii].

Inzwischen ist das Arbeiten von Zuhause für ganze Familien zur neuen Normalität geworden. Videokonferenzen bestimmen Job und Unterricht. Allein bei der Unternehmensgruppe zu der QVC gehört, fanden weltweit in nur zwei Wochen 10.000 Videokonferenzen mit 72.000 Teilnehmern statt. 73 Prozent aus der Gen Z wünschen sich laut der aktuellen QVC-Umfrage, auch zukünftig von zu Hause aus arbeiten zu können, um die Zeit besser zu nutzen.

Damit Remote-Arbeit zum Erfolg wird, kommt es stärker denn je auf die kommunikativen Fähigkeiten an. Über 70 Prozent der Arbeitnehmer sind laut einer Stepstone-Umfrage der Meinung, dass sie mit ihren Kollegen aus dem Homeoffice gut und effizient zusammenarbeiten. Mehr als jeder Zweite sagt aber auch: Menschen brauchen mehr emotionale und soziale Unterstützung während der Arbeit von zu Hause[iii].

Aus Wohnzimmern werden Headquarter

Viele Festangestellte kämpften mit den neuen, ungewohnten Bedingungen, die Freelancer seit jeher kennen. Büro-Equipment muss plötzlich selbst bereitgestellt und gewartet werden. Kein Wunder also, dass der Umsatz der Online-Händler im Segment Elektrogeräte stieg – zeitweilig um mehr als 500 Prozent gegenüber den Vergleichswochen im Jahr 2019[iv].

Lediglich 37 Prozent der Arbeitnehmer, die im Zuge der Pandemie erstmals ihren Arbeitsplatz in die eigenen vier Wände verlegten, verfügten dort über ein eigenes Arbeitszimmer, ergab eine Studie der Krankenkassen mhplus und SDK[v]. Nicht nur räumlich verwischt die Arbeit zunehmend mit der Freizeit. Auch ein klassischer Feierabend ist selten. Zwei Stunden pro Tag arbeiten Europäer im Homeoffice zusätzlich. Das zeigte die Datenerhebung eines VPN-Anbieters laut Forbes[vi].. Mentale Erschöpfung ist daher auch in Zeiten von Videokonferenzen ein Thema[vii]. Zoom Fatigue beschreibt den Zustand der Überforderung nach zu vielen Calls, in denen man sich permanent selbst sieht und dauerhaft kontrolliert fühlt.

Neue Arbeitsmodelle: zwischen Präsenz und Homeoffice

Klassische Zeiterfassungssysteme kommen im neuen Workflow schnell an ihre Grenzen. Zwischen Arbeit, Homeschooling und der Betreuung von Angehörigen, die viele nebenbei leisten, wächst der Wunsch, sich die Zeit frei einzuteilen. Dies wird auch die Ansprüche der Arbeitnehmer an die Präsenzzeit verändern. Arbeitgeber hingegen interessieren sich stärker für die privat genutzte Zeit im Homeoffice ihrer Mitarbeiter. Viele von diesen sehen das offenbar entspannt: „Ich würde akzeptieren, dass meine private Zeitnutzung im Homeoffice transparent ist“ sagen laut der aktuellen QVC-Studie 60 Prozent aus der Gen Y und jeder Zweite aus der Generation X.

Persönliche Anwesenheit im Büro ist künftig ein Kostenfaktor, wenn dort für Hygiene und Sicherheitsabstand gesorgt werden muss. Neben Rationalisierungsideen werden sich neue Arbeitsmodelle entwickeln, die Präsenzzeit und Homeoffice kombinieren.

Der virtuelle Konferenzraum kommt

Geschäftsreisen im In- und Ausland werden dagegen zur Ausnahme. Jeder zweite Deutsche möchte laut der QVC-Umfrage künftig lieber an Videokonferenzen teilnehmen als auf Geschäftsreise zu gehen. In der Generation Y sind es sogar 61 Prozent. Knapp zwei Drittel aus der Gen Y können sich Teammeetings in der Virtual Reality vorstellen. Das Berliner Start-up WeAre entwickelte bereits einen virtuellen Konferenzraum für Ingenieure[viii]. Die Technik dahinter orientiert sich an Computerspielen. Mit einem VR-Headset bewegen sich die Angestellten als Avatare im Raum und arbeiten an 3D-Modellen, die täuschend echt wirken.

 

 

Quellen:

[i] https://t3n.de/news/slack-bricht-nutzerrekorde-wegen-1266184/

[ii] https://hiphop.de/magazin/hintergrund/travis-scott-fortnite-urknall

[iii] https://www.stepstone.de/wissen/arbeit-corona-status-quo/

[iv] https://www.spiegel.de/wirtschaft/corona-krise-onlinehaendler-profitieren-massiv-a-44072398-d038-4380-aae5-1272aa6a9be0?sara_ecid=soci_upd_KsBF0AFjflf0DZCxpPYDCQgO1dEMph

[v] https://www.presseportal.de/pm/51991/4582578

[vi] https://www.forbes.com/sites/zakdoffman/2020/03/24/coronavirus-work-from-home-longer-hours-more-distractions-and-this-surprising-privacy-threat/#2b5af9d37363

[vii] https://www.sueddeutsche.de/digital/zoom-fatigue-videokonferenz-ermuedung-corona-1.4888670

[viii] https://www.welt.de/wirtschaft/gruenderszene/article205349723/Weare-Dieses-Start-up-will-Maschinenbauern-mit-VR-Gaming-helfen.html