New Shopping: Einkaufen wird zum Fan-Event
Nicht nur das Social Distancing, auch die Maskenpflicht hat das tägliche Einkaufsvergnügen deutlich getrübt. Man geht alleine in den Supermarkt, meidet volle Geschäfte, verlässt schnell den Shop und zahlt bargeldlos – so beschreibt es Bonsai Research im April 2020. Etwa die Hälfte aller Kartenzahlungen erfolgte in diesem Monat kontaktlos. Im Dezember 2019 waren es noch 36 Prozent [i].
Dieses Konsumentenverhalten wird nicht nur die Supermärkte nachhaltig verändern, sondern den gesamten physischen Handel. Dessen mangelnden Lieferkapazitäten setzten dem Wachstum in der Corona-Krise schnell enge Grenzen. Im Netz kursierten kurzzeitig Bilder von leeren Regalen – für viele Käufer die erste Erfahrung ihres Lebens mit einer Verknappung von Waren.
Der Versorgungskonsum wanderte schneller ins Internet als jemals zuvor und führte zu einem wahren Boom. Bis Mitte April verzeichneten Onlinehändler für Lebensmittel und Drogerieartikel einen Zuwachs von 110 beziehungsweise 170 Prozent[ii]. Rund 41 Prozent mehr bestellten die Deutschen im ersten Quartal 2020 über mobile Endgeräte, insgesamt wurde 19 Prozent mehr online bestellt[iii]. 60 Prozent der Konsumenten haben laut einer Studie von RetailX in Großbritannien während der Corona-Krise das persönliche Einkaufen in stationären Läden reduziert. Etwa jeder Dritte kaufte online mehr Gemüse ein[iv].
Shopping als digitales Disneyland
Nach der Krise wird sich der Handel neu definieren müssen: indem er soziale Nähe wieder attraktiv macht und Spaß beim Shopping organisiert. Es gilt, Gemeinsamkeiten zu finden, die Community zu unterhalten und Erlebnisse zu schaffen. Und zwar am besten live und in Echtzeit. Denn das kommt laut der QVC-Studie bei den deutschen Verbrauchern gut an. 41 Prozent der Frauen und jeder zweite Mann finden Social Shopping attraktiv: das gemeinsame Live-Erlebnis im Internet. Mit einem virtuellen Shopping-Scout einzukaufen, ohne selbst im Geschäft anwesend zu sein, können sich ebenso viele vorstellen. In Zusammenarbeit mit den Düsseldorfer Start-up „LiSA“ hat QVC bereits ein gleichnamiges Tool getestet, das erstmals eine Shopping-Beratung auf mobilen Geräten bietet, während die Kunden aus dem QVC-Sortiment einkaufen. Dazu gibt es die Möglichkeit, sich im Live-Chat auszutauschen.
Neue Online-Angebote aus China zeigen, wohin die Entwicklung gehen wird. Bei ShopShops besuchen chinesische Szenescouts ausgesuchte Läden in New York, Los Angeles oder San Francisco. Ihre Besuche werden über Smartphones gestreamt. Die Fangemeinde in China ist live dabei und kann in Echtzeit kaufen – eine neue Form des Teleshoppings. Die E-Commerce Plattform Pinduoduo wiederum kombiniert Gruppeneinkäufe und Gaming. Das Unternehmensmotto lautet: „Costco (US-Großhandelskette) trifft Disneyland“. Geshoppt wird in Teams, die sich über soziale Netzwerke finden und austauschen. Je höher die Bestellmenge, desto niedriger der Endpreis. Dazu gibt es Gutscheine, Gewinnspiele oder Geschenke[v]. Jeder zweite Deutsche kann sich laut der QVC-Umfrage vorstellen, zukünftig Geld zu sparen, indem er Online-Gruppenkäufe tätigt.
Während des Lockdown boomte das Livestreaming aber auch bei kleinen stationären Händlern in China – vom Textilhersteller bis zum Apfelbauern bewahrte es viele Unternehmer vor dem Aus[vi].. Die Shanghai Fashion Week mit 150 Designern und Marken wurde Ende März komplett digital und live gestreamt. Designer traten vor die Kamera und tauschten sich mit den Fans in Realtime aus. Am Ende der Woche hatten die Streams elf Millionen Views zu verzeichnen[vii].
Einkaufsbummel mit dem Live-Scout
Shops wie der Herrenausstatter Très Bien im schwedischen Malmö experimentieren dagegen mit dem virtuellen Schaufensterbummel über Zoom. Ein Verkäufer ist im Store live dabei und beantwortet Fragen. Es gehe dabei weniger um das Shoppingerlebnis an sich, sondern darum, in Verbindung mit der Community zu bleiben, sagen die Besitzer[viii]. Ob in der virtuellen oder physischen Welt des Shoppings – die soziale Dimension des Kaufens wird neues Gewicht bekommen.
Storefront, ein Spezialist für Pop-up-Stores, entwickelt bereits im großen Stil Konzepte für virtuelle Luxus-Shops, in denen die Kunden direkt aus Showrooms ordern können – im 360 Grad Blickwinkel vom Smartphone aus oder mit einer VR-Brille[ix]. Augmented Reality könnte eine Lücke schließen, wenn wir Waren nicht mehr live anfassen und begutachten können. Google testet in der Suche aktuell 3D-Abbildungen von Produkten. Sucht man beispielsweise nach einer Handtasche oder einem Turnschuh von Burberry, erscheinen diese – bisher nur in den USA und Großbritannien – als 3D-Modell in den Suchergebnissen. Der Nutzer kann das Modell drehen und heranzoomen oder es in der korrekten Größe auf die eigene Kommode oder in das Schuhregal projizieren[x].
Die Beratung kann dann auch ein Bot übernehmen. „Wenn der Service gut ist, ist mir egal, ob dahinter ein Mensch oder ein Computer steht“, sagen laut der aktuellen QVC-Umfrage 59 Prozent der Deutschen – und damit elf Prozent mehr als noch vor zwei Jahren.
Quellen:
[i] https://www.tagesschau.de/wirtschaft/boerse/kontaktloses-bezahlen-103.html
[v] https://www.focus.de/finanzen/boerse/pinduoduo-und-der-ganz-irre-einkaufsspass_id_10412826.html
[vii] https://www.alizila.com/what-shanghais-first-digital-fashion-week-meant-for-brands-and-designers/
[viii] https://www.vogue.com/article/tres-bien-zoom-virtual-store
[x] https://mixed.de/google-rollt-3d-produktsuche-mit-ar-technik-aus/